Was bisher geschah:
ZüriEscape - Tag 3 (Fortsetzung)
Und dann ging es wieder los: Von 500 auf 1'500 Meter. 3 Stunden Aufstieg. Alles fahrbar, ruhig, keine Autos, kaum Menschen. Nur du und das Bike. Der Dominik hat doch ein Herz. ❤️
Richtiges BikePACKing
Oben sind wir natürlich wieder auf einer Wiese gelandet. Dort haben wir richtiges "Bike-Packing" gemacht. Es war so matschig, dass wir die Räder "packen" und über Bretter tragen mussten. Wie richtige Piraten eben.
Nächste Abfahrt: Noch schöner als die vom Tanzboden. Das Gravel-Bike ist jetzt eins mit dir geworden. Du weisst, wann du aufstehen, wann du einen Millimeter nach vorne gehen musst. Die Gänge stimmen immer. Langsam wird es wieder bequem auf dem Ding. Der Körper hat sich darauf eingestellt. Man hat schon sehr viel gelitten. Jeder Handgriff sitzt. Ab dem 3. Tag fängt normalerweise der Spass bei längeren Touren an. Man wird schwereloser. Normalerweise.
Nicht so beim ZüriEscape. Unten angekommen, ging es natürlich wieder hoch. Wieder steil. Vorbei an einer schönen Kirche. Vorbei an einem wunderschönen Panoramaweg. Immer weiter hoch.
Die Panzer-Velos
Es war Sonntag. Herrliches Wetter. Kein Regen. Alle Menschen waren draussen mit ihren 3 Tonnen Autos. Ich hasse Autos beim Velofahren. Am schlimmsten waren aber die Panzer-Velos aka E-Bikes. Es ist überhaupt nicht lustig, wenn die einem bergauf in einem Karacho überholen und man schiebt und schwitzt. Ich kenne das Gefühl, ich habe selbst ein E-Bike. Aber ich grüsse immer anständig, wenn ich einen armen Kärli mit Biosprit bergauf überhole.
Es ging über einen Flachlandpass mit vielen Töffli-Bube und Gümmler. Auch die haben mich genervt. Wie alles, was nicht direkt mit dem ZüriEscape zu tun hatte.
Toleranz ist etwas für Leute, die weniger als 8'000 Höhenmeter in den Beinen haben.
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Über den Sihlsee und Einsiedeln ging es zum Ägerisee. Zwischendurch gab's Pommes, Gummibärli und Steinwege.
Danke Schweiz
An dieser Stelle möchte ich mich kurz bei der Schweiz bedanken. Etwas, was es so (und da bin ich mir zu 100% sicher) auf der ganzen Welt nicht gibt.
Mein Hauptproblem auf langen Strecken sind selten die Beine. Ab und zu der Betonkopf. Der hilft aber oft auch. Sondern der Magen. Ich habe eine Laktoseintoleranz und bin sehr undiszipliniert, wenn es darum geht, die blöden Tabletten zu schlucken, bevor ich mein Schoggi Brötli esse. Und bis zum 3. Tag habe ich viel "Mühl" gegessen, das gibt schnelle Energie. Oder wie Sven mir erklärte, die "falschen Freunde".
Also der Magen hat sich wieder gemeldet. Und wollte den Inhalt loswerden. Und man glaubt es nicht. Mitten im Nirgendwo kamen wir an der saubersten Toilette der Welt vorbei. Und es roch nach Lavendel. Nach verdammten Lavendel. Schweiz, ich liebe dich.
10 Kilo leichter ging es flach weiter. Die Gelegenheit, Svens Fähigkeiten als Windblocker zu testen. Er vorne, ich an seinem Hinterrad. 20 Kilometer mit 25 km/h. Normalerweise wären 30 km/h drin gewesen, aber die Anstrengung ging auch an ihm nicht spurlos vorbei. Hab's ihm natürlich nicht gesagt, mich nur bedankt.
Vom Ägerisee ging es wieder bergauf. Der vorletzte grosse Anstieg. Lang aber relativ flach, alles fahrbar, mit Hammerblick auf den Ägerisee. Steigung ist nicht gleich Steigung. Alles ist relativ. Vor allem beim Gravel-Biken. Das Ziel kam immer näher. Die Nacht auch. Die Abschlussparty war nicht mehr zu schaffen. Sven ist heute noch sauer auf mich.
Endlich wieder flussabwärts
Nächster Teil: Shiltal. Ohh, wie habe ich diesen Teil geliebt. Flussabwärts durch den Wald. 20, 25, 30 Stundenkilometer. Meditation pur. Mit ein paar Hügeln dazwischen. Durch Tunnel, über Wanderwege, weil wir uns den langen Tunnel nicht getraut haben (Ihr wisst schon, Güterzug. We are not stupid).
Rein in meine Hausstrecke. Hier kenne ich fast jeden Stein. Das Ende ist nah. Fast kann ich meine Wohnung sehen. Noch ein Hügel. Ein letzter Anstieg von 500 auf 800 Meter. 300 Höhenmeter.
Nach 3 Tagen und fast 10'000 Höhenmetern weiss ich, dass es nicht nur eine Zahl ist, dass es relativ ist, dass es darauf ankommt, wie die 300 Höhenmeter aussehen. Schotter oder Strasse? Steil oder flach? Kurven oder nicht?
Traue niemandem, auch nicht deinem Gehirn.
Inzwischen, und das stimmt wirklich, habe ich gemeint, dass der Dominik geschrieben hat, dass man den letzten Teil nicht machen muss. Das ist nur was für sehr ambitionierte Fahrer. Das war in der E-Mail. Ich war mir 100% sicher. Der Sven hat nur gelacht.
Wir wurden nicht enttäuscht: Der letzte Anstieg war nicht flach. Es ging nur steil bergauf.
Ich habe einen Fuchs gesehen. Das ist das letzte Zeichen, dass man hier nichts zu suchen hat.
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Aber zwei Dinge haben mich hochgezogen: Die Graffitis auf dem Boden, die nicht für mich waren, aber mich unglaublich motiviert haben. Und die Freunde und Familie, die immer wieder eine Nachricht geschickt haben, weil sie den Ride auf Dot Watch verfolgt haben. Etwas anzukündigen, ist nicht immer schlecht.
Sven war wieder weg. Ich folgte ihm. Oben angekommen, war es schon fast dunkel.
Zürich holte die Kerzen raus und zündete sie für uns an. Wunderschön.
Der höchste Punkt war erreicht. Der letzte Hügel überwunden. Mehr als 10'000 Höhenmeter standen auf dem Velocomputer. Sven und ich umarmten uns und fuhren hinunter. Den Champagner haben wir natürlich vergessen.
Was für ein Abenteuer.
10'000 DANK
Danke an Dominik, seine Frau und alle, die das möglich gemacht haben. Vor allem die Sponsoren. @transa.ch @vertical_coffee @monopole.cc Ohne euch wäre es nicht möglich gewesen.
Ein besonderer Dank geht auch an Matzeee, der uns immer angefeuert hat und am Ende noch ins Ziel gekommen ist, um uns zu begrüssen.
Und zum Schluss an meinen wunderbaren Kollegen:
Sven Lorenz - Ohne dich wäre es nicht gegangen. Geteiltes Leid ist doch halbes Leid.
Noch heute, mehr als einen Monat später, denke ich an diese unglaubliche Reise vor meiner Haustür. Ich bin unglaublich stolz auf das, was wir erreicht haben. Und unglaublich dankbar, dass wir es geschafft haben.
Das Warum
Für den Flow und das Gefühl vom Fliegen. Das kennen fast alle, die etwas besonders intensiv machen. Produkt-Entwickeln, Surfen, Auto-Rennfahrer, Turnern, Volleyball-Spielen.
Das unglaubliche Gefühl, wenn man die Schmerzen überwunden hat, wenn man genug gelitten hat, wenn man das Leiden annimmt und es nichts mehr anderes gibt, als dich und dein Bike. Wo du eins mit der Welt bist, in Gedanken irgendwo und plötzlich feststellst, dass du mit 30 km/h durch eine wunderschöne Landschaft fährst.
Ein Körper, der sich schwerelos durch Raum und Zeit bewegt.
Je steiler es hochgeht, umso wunderschöner geht's runter. Tanzen auf dem
Tanzboden ist was für Anfänger. Wir lieben das Fliegen.
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